Eine vom Durchgangsarzt vorgenommene Heilbehandlung ist eine nach Amtshaftungsgrundsätzen zu beurteilende Erstversorgung, wenn sie mit der Entscheidung des Durchgangsarztes über das „Ob“ und „Wie“ der Weiterbehandlung einen einheitlichen Lebensvorgang darstellt und zudem im Durchgangsarztbericht als Erstversorgung dokumentiert ist. Dabei vertritt das OLG Hamm die Auffassung, dass sich der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.03.2020 (VI ZR 281/19) nicht entnehmen lässt, dass sich die durchgangsärztliche Erstversorgung allein auf diejenigen Behandlungsmaßnahme beschränkt, die vor der vom Durchgangsarzt zu treffenden Entscheidung über die Anordnung der allgemeinen oder besonderen Heilbehandlung durchgeführt wurden bzw. die allein für diese Entscheidung notwendig sind. Das OLG leitet aus dem Urteil des BGH vom 29.11.2016 (VI ZR 208/15) ab, dass es sich bei der Entscheidung des Durchgangsarztes über das „Ob“ und „Wie“ der weiteren Heilbehandlung und der von ihm nach § 27 Abs. 1 SGB VII durchgeführten notwendigen Erstversorgung der Verletzung um zwei eigenständig nebeneinander tretende Tätigkeiten des Durchgangsarztes handelt, die ineinander übergehen und auch aus Sicht des Geschädigten einen einheitlichen Lebensvorgang darstellen, der nicht in haftungsrechtlich unterschiedliche Tätigkeitsbereiche aufgespalten werden kann.
(OLG Hamm Urt. v. 16.9.2022 – 11 U 11/22, BeckRS 2022, 26798 Rn. 7, 8, beck-online)